Tausenden deutscher Haushalte droht Asbestgefahr: Jahr für Jahr setzen Regen, Wind und Sonne bei verwitterten Asbestdächern und –fassaden feinste Silikatfasern frei, die eingeatmet krebserregend sein können. Darauf verweist jetzt die Arbeitsgemeinschaft Ziegeldach e.V, Bonn, und betont, dass Asbest im Griechischen soviel wie „unzerstörbar“ und „unauflöslich“ bedeutet. Nach Erhebungen des Fraunhofer Instituts für Toxikologie und Aerosolforschung, Hannover, sind noch bis zu 800 Mio m2 Asbestzement- und Wellplatten im Wohnhaussektor verbaut. Andere Quellen gehen sogar von bis zu 1,3 Mrd m2 Dach- und Wandflächen aus. Die Entsorgung fällt nach ca. 50 Jahren an, so dass daraus eine jährlich zu entsorgende Menge von 20 bis 22 Mio m2 abzuleiten ist. Teilweise seien die Flächen so stark Oberflächen verwittert, dass Bewohner und Umwelt gefährdet seien, warnen die Dachziegelproduzenten und fordern Beratung sowie Aufklärung der Öffentlichkeit ein. Der sinnvollste Schutz sei ein rascher, fachgerechter Abriss und die Neueindeckung mit unbelasteten Bedachungsprodukten, wie z.B. Dachziegel aus gebranntem Ton.
Wurde vor ca. 50 Jahren noch eine problemlose Bearbeitung von Asbestwelltafeln durch Sägen, Schneiden oder Bohren selbst von Experten attestiert, ist das Risiko heute allgemein bekannt. So wurde gemäß Gefahrstoffverordnung die Herstellung von Asbestprodukten in Deutschland 1993 verboten. Publikationen über Asbestbelastungen in Schulen oder Kindergärten und die damit einhergehenden Gesundheitsprobleme gehören leider zum Alltag. Umso verwunderlicher, dass der Gesetzgeber trotz des Gefahrenpotentials asbesthaltiger Dach- und Wandprodukte - im Gegensatz zum Innenbereich des Hauses - noch immer keinen Handlungsbedarf sieht.
Wie hoch das Problem einzuschätzen ist, beweist nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Ziegeldach, dass der Abbruch von Asbestbauteilen ganz besonderen Auflagen unterliegt, da dabei die Gesundheit gefährdende Stäube entstehen. Mitarbeiter zugelassener Sanierungsbetriebe müssen Schutzbekleidung und Atemschutz tragen. Auch dürfen abgebaute Asbestprodukte nicht - wie angenommen - als Sondermüll deponiert werden. Nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ist Asbestzement als überwachungsbedürftiger Abfall einzustufen und im Rahmen „geordneter Entsorgung“ einer entsprechenden Deponie zuzuführen.
An die Adresse der Hausbesitzer ergeht die dringende Warnung der Dachziegelindustrie, Asbestdeckwerkstoffe keineswegs mit Druckreinigern zu säubern, da Asbestfasern ins Abwasser oder ins Erdreich gelangen können. Bei geringen Erschütterungen und erst recht beim Abschaben würden große Mengen an Asbest-Feinstäuben freigesetzt. Zudem finde durch Frost- und Winderosion ein Abtrag auf Oberflächen statt, der ebenfalls bedenklich sei. Besonders betroffen durch Witterungseinflüsse, Luftverschmutzung und Oberflächenkorrosion seien unbeschichtete Wellplatten. Forschungsergebnisse belegen, dass in ungünstigen Fällen in der nahen Umgebung von Reihenhäusern mit unbeschichteten Asbestzement-Fassaden in einem Abstand von etwa 1 bis 2 Metern Faserkonzentrationen bis etwa 1.000 F/m3 auftreten können, normal wären 100 F/m3. Bei Abständen von über 100 m wurde allerdings keine erhöhte Belastung der Luft mehr gemessen. Als Ratgeber für eine solche Maßnahme wurde eine Checkliste zur Asbestdachsanierung zusammengestellt. Sie enthält alle wichtigen Merkpunkte für eine sachgerechte Vorgehensweise – ersetzt jedoch nicht die fachkundige Beratung.
Ergänzend wird informiert, dass eine Asbestdachsanierung bedingt steuerlich absetzbar ist. Das Finanzgericht Düsseldorf stufte in seinem Urteil vom 22.7.1999, EFG S. 1075, die Kosten für das neue Dach eines Einfamilienhauses, das mit asbesthaltigen Dachplatten gedeckt war, als außergewöhnliche, abzugsfähige Belastung ein. Der Vorlage eines amtsärztlichen Attests zum Nachweis der Gesundheitsgefährdung bedurfte es nicht. Allerdings muss sich der Steuerzahler die Wertverbesserung durch die Sanierungsmaßnahme in bestimmtem Umfang anrechnen lassen.
Dem Gefahrenfaktor Asbest kommt auch weltweite Bedeutung zu. Verstärkte Klagen von Asbest-Opfern in den USA erwachsen sich zum Überlebensproblem für Industriekonzerne und Versicherungsbranche. So mussten US-amerikanische Hersteller leicht gebundener asbesthaltiger Baustoffe und die Versicherungswirtschaft in den letzten 20 Jahren bereits 54 Mrd. US-Dollar Schadensersatz leisten. Inzwischen droht eine neue Welle von Schadensersatzklagen, da der Nachweis einer tatsächlichen Schädigung nicht mehr erbracht zu werden braucht.
Mit Ausnahme von Großbritannien ist Europa von einer vergleichbaren Klagewelle verschont geblieben – bis jetzt. Nun wurde das Problem auch von der deutschen Versicherungswirtschaft erkannt. Folge: deutsche Versicherer werden künftig alle Schäden, die auf Asbest oder asbesthaltige Substanzen zurückzuführen sind, vom Versicherungsschutz ausklammern. Dies zeigt ein Rundschreiben des HDI (Haftpflichtverband der Deutschen Industrie) vom 25. 8.2003 an alle Versicherungskunden. Im Gegensatz zu den USA sind in Europa jedoch noch nicht die exorbitanten Entschädigungssummen im Gespräch.