Tierarzneimittel in der Massentierhaltung belasten die Umwelt Zunehmend Antibiotika-Resistenzen bei Krankheitserregern Was Experten schon länger befürchtet haben wurde jetzt wissenschaftlich bestätigt: Wirkstoffe von Tierarzneimitteln gelangen über die Gülle in die Umwelt und können Böden und Grundwasser verunreinigen. Wissenschaftler der Universität Göttingen fanden in der Region Weser-Ems, wo rund ein Drittel der deutschen Tierhaltung konzentriert sind, teilweise bedenklich hohe Werte von antibiotisch wirkenden Tetrazyklinen. Die Untersuchungen hatte das Bundesumweltamt in Auftrag gegeben. Antibiotika werden in der Landwirtschaft als Tierarzneimittel verabreicht und zur spezifischen Leistungsförderung dem Futter in Mastanlagen beigemischt. Tetrazykline sind mit einem Anteil von 58 Prozent an der gesamten Antibiotikamenge die bedeutendste Substanzklasse. Die Untersuchungen ergaben, dass Tetrazykline von Schweinen nahezu unverändert wieder ausgeschieden werden und auch während der Lagerung der Gülle kaum abgebaut werden. Die Gutachter empfehlen dringend die Prüfung von Maßnahmen zur Verringerung des Eintrages von Tetrazyklinen in Böden und Grundwasser. Industrie, Landwirtschaft und Medizin sollten nach Möglichkeiten zur Entlastung der Umwelt auf diesem Gebiet suchen. Darüber hinaus unterstützen die Forscher auch die Empfehlungen des unabhängigen Wissenschaftlichen Beirates Bodenschutz beim Bundesumweltministerium. Im Gutachten "Wege zum vorsorgenden Bodenschutz" weist der Beirat auf Defizite in der Umweltüberwachung von Tierarzneimitteln hin und empfiehlt eine umfassende Prüfung ihrer Wirkung auf die Umwelt. Insbesondere soll dem vermuteten Einfluss auf die Mikrobiologie (z. B. Resistenzbildung bei Krankheitserregern) nachgegangen und die Versickerung durch den Boden in das Grundwasser untersucht werden. Die Waffen gegen Krankheitserreger werden langsam stumpf Problematisch an der Verbreitung von antibiotisch wirksamen Substanzen in der Umwelt ist weniger ihre direkte Wirkung auf den Menschen. Vielmehr befürchten Forscher, das natürlich vorkommende Bakterienstämme Resistenzen gegen die Wirkstoffe ausbilden, wenn sie vermehrt mit ihnen in Kontakt kommen. Solche Resistenzen könnten dann auch auf Krankheitserreger des Menschen übertragen werden. Als Folge ließen sich Infektionskrankheiten immer schwerer bekämpfen, da bisher erfolgreich eingesetzte Antibiotika möglicherweise unwirksam werden. Tatsächlich hat die Resistenz gegen Antibiotika in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und ist in ihren dramatischen Folgen für die Menschen noch nicht absehbar. Das wesentliches Zentrum der Resistenzentwicklung im Humanbereich sind jedoch Krankenhäuser und Ambulanzen. Zu diesem Ergebnis kam eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit im Juni diesen Jahres. Sowohl in der Humanmedizin als auch in der Tiermedizin sei bei vielen Infektionserregern eine Zunahme mehrfach resistenter Bakterienstämme beobachtet worden, die mit den gängigen Antibiotika nicht mehr bekämpft werden könnten, heißt es in dem vorgelegten Bericht. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes empfahl die Arbeitsgruppe die Zulassung der antimikrobiell wirksamen Stoffe Natamycin und Nisin als Zusatzstoffe im Lebensmittelbereich zurückzunehmen. Auch im Pflanzenschutzbereich sollen Antibiotika eingeschränkt oder gänzlich untersagt werden. Außerdem wurde eine verstärkte Forschung zum Resistenzproblem gefordert. Datum: | 5. 12. 2000 | Quelle: | Bundesumweltamt / enius | Autor: | Wieland Welsch, Thomas Nowak |
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