Radioaktivität: Neue Studie im Fall „Krümmel“ Seit über 10 Jahren wird um das Atomkraftwerk "Krümmel" bei Geesthacht (Elbe / Schleswig-Holstein) gestritten. Eine aktive Bürgerbewegung geht von einer unnatürlichen Häufung von Leukämiefällen in der Elbmarsch aus und macht künstliche Strahlung aus dem Kernmeiler dafür verantwortlich. Die Initiative scheiterte bisher aber daran, die Häufung der Fälle medizinisch-statistisch zu beweisen. Bei einer Erkrankungshäufigkeit von jährlich 8-11 Menschen pro 100 000 Einwohnern ist eine Zunahme von wenigen Fällen in einem mehrere tausend Einwohner umfassenden Landstrich statistisch noch nicht aussagefähig. So geringe Dichten können sich außerdem nicht ganz gleichmäßig über eine große Fläche verteilen, sondern es wird immer zu gewissen Häufungen kommen, denen anderswo "Löcher" gegenüber stehen. So die Argumentation der Wissenschaftler, die der Leukämie-These ablehnend gegenüber stehen. Immer hin waren seit 1989 in dem Landkreis mit 8000 Einwohnern 21 Menschen an Leukämie erkrankt. Zu erwarten wäre weit weniger als die Hälfte gewesen. Die Bürgerinitiative hält dem entgegen, dass Ionisierende Strahlung nun einmal einer der Hauptauslöser für Leukämieentstehung bei Embryos ist, und dass es möglicherweise mehrere noch nicht aufgedeckte Freisetzungen von radioaktiver Strahlung in der Vergangenheit gegeben hat. Immer wieder konnten erhöhte Strahlenwerte in der Umgebung gemessen werden, deren Relevanz oder Richtigkeit immer angezweifelt wurde. Nun geht das neidersächsische Sozialministerium dem Verdacht nach, im Umland gebe es erhöhte α- und β-Strahlung. (Januar 2001): Basis der vom Landesamt für Ökologie durchgeführten Untersuchungen ist ein Gutachten der "Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch". Dieses Gutachten, das der Diplom-Ingenieur Heinz Gabriel (Weinheim) und der Röntgenfachmann Prof. Arthur Scharmann (Gießen) angefertigt haben, will die Bürgerinitiative noch im Januar der Öffentlichkeit vorstellen. Die BI-Vorsitzende und Medizinerin Helga Dieckmann sagte vorab, bei fast 40 Proben habe man zahlreiche "heiße Stellen" gefunden. An ihnen sei die Alpha-Strahlung bis zu zehnmal höher als die ortsübliche Dosis. Alpha-Strahlung ist laut Dieckmann nur auf extrem kurze Distanzen von weniger als einem Millimeter gefährlich und sei leicht abzuschirmen. Würden die strahlenden Partikel aber eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen, erhöhe sich das Krebsrisiko deutlich. Alpha- und Beta-Strahlung würden von den Behörden nicht kontinuierlich gemessen. Das Sozialministerium in Hannover ist nach Angaben einer Sprecherin durch erste Hinweise auf das Gutachten am Freitag "hellhörig geworden". Ministerin Gitta Trauernicht (SPD) habe zur Überprüfung des Sachverhalts "sofort eigene Fachleute losgeschickt". Diese hätten dann im Beisein des BI-Gutachters Gabriel an fünf von ihm ausgewählten Fundstellen Proben gezogen und an anderen Orten weitere Tests vorgenommen. Erste Untersuchungen hätten "nichts Auffälliges ergeben". Weitergehende Untersuchungen der Proben sollen heute Klarheit bringen. Helga Dieckmann ist nach der Häufung von Leukämie-Erkrankungen in der Elbmarsch nun zuversichtlich, dass das neue Gutachten Klarheit bringt: Ob Kernforschungszentrum oder Atomkraftwerk - die Alpha-Strahlung hinterlasse einen "regelrechten Fingerabdruck, der Rückschlüsse auf den Verursacher zulässt". Ergänzung vom 15.02.01: Das niedersächsiche Landesumweltministerium hat inzwischen eigene Proben genommen und ausgewertet. Das Probenahmemuster entsprach dem von der Bürgerinitiative beauftragten Labor. Das Ministerium konnte die Meßergebnisse nicht nachvollziehen: Es konnte weder erhöhte alpha- noch Betastrahlung festgestellt werden. Die Methodik und die Schlussfolgerungen des Gutachters der Bürgerinitiative, der eine hohe Kontamination der Bodenproben feststellte, seien nicht nachvollziehbar. Datum: | 29. 1. 2001 | Quelle: | enius / Hamburger Abendblatt | Autor: | bearbeitet von Eckart Willer |
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