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Deutschland auf dem Weg zur Generation der Hörgeschädigten?

Das Umweltbundesamt befürchtet eine deutliche Zunahme von Gehörschäden bei Jugendlichen durch intensives Musikhören. Bis zum 16. Lebensjahr ist es vor allem laute Musik über Kopfhörer. Später sind es hohe Schallpegel in Diskotheken, Clubs und bei Großveranstaltungen. Die Folgen: Bleibende Hörschwellenverschiebungen und chronischer Tinnitus (andauernde Ohrgeräusche) als Schädigungen des Gehörs, die nicht heilbar sind.

Junge Leute sollten daran denken, dass bei auffälligen Hörverlusten oder beeinträchtigtem Hörvermögen bestimmte Berufe nicht erlernt oder ausgeübt werden können. Das Umweltbundesamt hält es ebenso wie die Bundesärztekammer und das Bundesgesundheitsministerium für dringend erforderlich, die übermäßig hohen Musikschallpegel zu senken. Neben der technischen Begrenzung, die es in anderen europäischen Ländern wie Frankreich bereits gibt, sollten die Jugendlichen auch stärker informiert und das Personal in Diskotheken qualifiziert werden. Umfragen bei Jugendlichen zeigen zudem, dass die Mehrzahl die extremen Schallpegel für den Musikgenuss und Diskospaß nicht brauchen und mit einer Pegelbegrenzung einverstanden wären.

Laut dröhnende Musik aus vorbeifahrenden Pkw und Jugendliche mit Kopfhörern, die in öffentlichen Verkehrsmitteln laut Musik hören, gehören zum Alltag. Dazu kommt die enorme Lärmbelastung bei Tanzveranstaltungen. Messungen in 29 Berliner Diskotheken ergaben bereits 1985 Mittelungspegel zwischen 92 und 110 dB(A). Zum Vergleich: 110 dB(A) entsprechen dem Lärmpegel bei der Arbeit mit einem Presslufthammer. Rund zehn Jahre später wurden in 14 Berliner Diskotheken fast identische Musikschallpegel ermittelt. Zudem wird im Laufe einer Nacht häufig ein Anstieg der Musikpegel beobachtet.

Was in der Regel ignoriert wird: Ab einer Schallbelastung mit einem Mittelungspegel von 85 dB(A), bezogen auf 40 Stunden pro Woche, ist mit einer Gehörschädigung zu rechnen. Dieselbe Gehörschädigung bewirken: 95 dB(A) bei 4 Stunden pro Woche; 105 dB(A) bei 24 Minuten pro Woche oder 108 dB(A) bei 12 Minuten pro Woche.
Bei Musikgroßveranstaltungen erreichen die höchsten Musikschallpegel (in der Nähe der Lautsprecher) zum Teil 120 dB(A). Zum Vergleich: An Arbeitsplätzen ist zum Schutz der Gesundheit bei 90 dB (A) das Tragen von Gehörschutz Pflicht.

Ein Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist an einem Lärmarbeitsplatz (Straßenbau, Metall- und Textilindustrie) beruflich tätig. Kommt dann noch im Freizeitbereich eine Lärmbelastung durch zu laute Musik hinzu, verkürzt sich die Gehörerholungsphase erheblich. Gehörschäden sind programmiert. Therapien zur Heilung einer lärmbedingten Innenohrschwerhörigkeit gibt es nicht. Chronischer Hörverlust lässt sich nicht rückgängig machen. Zur teilweisen Rehabilitation mittel- und hochgradiger Hörverluste stehen nur Hörgeräte sowie elektronische Hörimplantate zur Verfügung.

Folgende Maßnahmen schlägt die ehemalige Kommission "Soziakusis" des Umweltbundesamtes (Zivilisations-Gehörschäden) vor:

  • Begrenzung des Dauerschallpegels in Diskotheken auf 95 dB(A), bezogen auf den lautesten Aufenthaltsbereich der Besucher.
  • Betreiber von Diskotheken und Konzertveranstalter sollten über Gesundheitsrisiken, Schutzvorkehrungen und Lärmminderungsmöglichkeiten hinreichend informiert werden.
  • Anlagen- und Ton-Techniker einschließlich Discjockeys sollten ausreichende Kenntnisse über mögliche Gesundheitsgefährdungen durch hohe Musikschallpegel nachweisen müssen (Qualifikationsnachweis).

Die Schweiz hat 1996 für Diskotheken und Musikgroßveranstaltungen einen Mittelungspegel von 93dB(A) als Grenzwert eingeführt, der in Ausnahmefällen mit behördlicher Genehmigung auf 100 dB(A) erhöht werden darf. Für Geräte mit Ohrhörern und lärmgebende Spielzeuge werden ebenfalls Begrenzungen auf gehörverträgliche Schallpegelwerte gefordert. Bei tragbaren Musikwiedergabegeräten hat Frankreich bereits mit einer nationalen Regelung die Schallpegel begrenzt.
 

 

Datum:6. 2. 2001
Quelle:Umweltbundesamt
Autor:Wieland Welsch, Thomas Nowak

 




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