Streit um Chemikalien-Einschränkung Deutschland hat bei der Europäischen Union Widerspruch gegen das geplante Weißbuch zur Chemikalien-Sicherheit eingelegt. Dieses soll die Verbraucher und Arbeiter vor dem Umgang mit kritischen und zweifelhaften Chemikalien schützen. Bundeskanzler Gerhard Schröder intervenierte auf Wunsch der chemischen Industrie persönlich bei der EU- Kommission, um dem Entwurf die Zähne zu ziehen. Die EU- Umweltkommissarin Margot Wallström kritisierte daraufhin die Bundesregierung scharf und warf den deutschen Chemie- Unternehmen »Lüge« und »Panikmache« vor. In dem Weißbuch soll ein Rahmenprogramm für die Bewertung und Zulassung von neuen und schon bekannten Chemikalien vorgestellt werden. Europaweit haben von rund 100 000 produzierten Chemikalien erst 2 700 ein Prüfverfahren durchlaufen, selbst für großtechnisch hergestellte Stoffe liegen den Behörden in sechs von sieben Fällen keinerlei Informationen über mögliche Umweltrisiken vor. Die EU-Kommissarin will, daß von 30 000 häufig verwendeten Substanzen grundlegende Daten über Inhaltsstoffe und Risiken, geplante Anwendung und Produktionsmenge zentral registriert werden. Die Hersteller sollen die notwendigen Untersuchungen selbst durchführen, nicht geprüfte Stoffe werden im Jahr 2018 verboten. Die rund 5 000 Chemikalien, von denen jährlich mehr als 100 Tonnen in Umlauf gebracht werden, sollen sogar bis 2008 evaluiert werden. Stellt eine Vorprüfung Risiken fest, müssen in Tests Krebsgefahren, hormonelle Risiken und akute Toxizität ermittelt werden. Die chemische Industrie protestiert derweil gegen die "Bürokratie", droht mit Arbeitplatzabbau und Abwanderung ins außereuropäische Ausland. Man mokiert sich auch über die schwedische Umweltkommissarin Wallström, in deren Heimatland die chemische Industrie wirtschaftlich keine Rolle spiele. Schwedens Wirtschaft könne derartige Auflagen verkraften, die deutsche nicht. Die Intervention hat bereits den ersten Erfolg gebracht: Für den Export müssen keine der neuen Richtlinien erfüllt werden. Die chemische Industrie hat es bisher schon oft geschafft, die Abschaffung von gefährlichen Stoffen durch lange Übergangsfristen hinauszuzögern. Grundlage waren stets die Floskel, es "bestehe weiterer Forschungsbedarf" und der Hinweis auf die wirtschaftliche Wichtigkeit des jeweiligen Stoffes.
Datum: | 12. 2. 2001 | Quelle: | Die Zeit, junge welt | Autor: | bearbeitet von Eckart Willer |
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