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Zahl der Rückenschmerz-Patienten in 20 Jahren verdoppelt

Die Zahl der Patienten mit Rückenschmerzen hat sich in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Jeder dritte Erwachsene sei betroffen, sagte der Heidelberger Professor Siegfried Mense vom Institut für Anatomie und Zellbiologie am 10. März beim ersten Symposium "Rückenschmerz" in Göttingen. Muskeln seien nicht für einseitige Dauerbelastung oder Bewegungsmangel an den neuen Arbeitsplätzen konstruiert. "Es ist nicht vorhersehbar gewesen, dass die Menschen diese Krankheiten bekommen", sagte er. Jeder länger anhaltende Schmerz hinterlasse Spuren und Veränderungen im Rückenmark und müsse schnell und gründlich behandelt werden.

Das Vorstandsmitglied der Deutschen Schmerzstiftung, Jan Hildebrandt (Göttingen), sagte, Rückenschmerzen seien die teuerste Erkrankung in den Industriestaaten. Jährlich entstünden bundesweit durch die Behandlung und Arbeitsausfälle Kosten von rund 35 Milliarden Mark. Mense hatte zuvor kritisiert, davon würden für die Ursachen- und Therapie-Forschung weniger als ein Prozent ausgegeben.

Hildebrandt, der das Göttinger Zentrum für Anästhesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin leitet, meinte: "Wir bilden mit einer Rückkehrquote chronisch Rückenkranker in das Arbeitsleben von 35 Prozent das Schlusslicht aller Industrieländer." Dies habe eine internationale Studie ergeben. Er forderte die flächendeckende Einrichtung von Rückenzentren. Das erste dieser Zentren wird nach Angaben des Orthopäden Gerd Müller in Hamburg eingerichtet.

Bei der Anwendung neuer Behandlungskombinationen wie Rückentraining und psychologische Betreuung könne über 60 Prozent der chronisch erkrankten Patienten geholfen werden, sagte Hildebrandt. "Wir brauchen aktive Trainingsprogramme, mit denen wir die Kranken aus den Betten an die Trainingsgeräte holen - drei bis sechs Wochen lang und täglich sechs bis acht Stunden."

Bisher würden jedoch viele Patienten von Hausärzten falsch behandelt und zu spät überwiesen, kritisierten mehrere der rund 400 Wissenschaftler und Praktiker. Hausärzte würden oft Ruhe und Schonung für den kranken Rücken verschreiben.

Für unverzichtbar hält auch der Diplompsychologe an der Göttinger Schmerzambulanz, Michael Pfingsten, die psychotherapeutische Begleitung. Rückenschmerzen seien für viele Patienten die einzige Möglichkeit, auf Stress im Arbeitsleben zu reagieren und sich notwendige "Rückzugsmöglichkeiten" zu schaffen. Bisher würde aber die individuelle Situation des Patienten zu wenig berücksichtigt.
 

 

Datum:13. 3. 2001
Quelle:BdW/dpa

 




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