Europäisches Chemikalienrecht wird erneuert Das europäische Chemikalienrecht soll grundlegend erneuert werden. Kern der geplanten Novelle ist ein einheitliches Bewertungsverfahren für alle chemischen Stoffe, mit dem das Risikopotenzial von Altstoffen besser beurteilt werden kann. Grundlage für die rechtlichen Änderungen wird ein Weißbuch zur Chemikalienpolitik sein, dass die EU-Kommission in Kürze verabschieden will. Bundesumweltminister Jürgen Trittin unterstützt das Projekt und ruft zu einem breiten Dialog auf. Mit der Novelle, so Trittin, werde der notwendige vorbeugende Umwelt- und Gesundheitsschutz gestärkt. Umwelt- und Verbraucherverbände, die chemische Industrie sowie die Gewerkschaften sollen am 15. März in Bonn Gelegenheit haben, ihre Auffassungen zu dem geplanten Weißbuch darzulegen. Hintergrundinformationen: Weißbuch der EU zum Chemikalienrecht In der EU sollen künftig alle chemischen Stoffe gleich bewertet und nach einem einheitlichen Verfahren auf ihr Risikopotenzial für Mensch und Umwelt abgeschätzt werden. Die Unterscheidung zwischen neuen und alten Chemikalien soll mittel- bis langfristig aufgehoben werden. Die ungleichgewichtige Behandlung alter und neuer Stoffe hatte zu einer massiven Kritik in der EU geführt und war Anlass für den unter deutscher Präsidentschaft im Juni 1999 gefassten Beschluss des Umweltministerrates, die EU-Kommission aufzufordern, ein Weißbuch zu einer umfassenden Neugestaltung der EU-Chemikalienpolitik vorzulegen. Bisher unterliegen neue chemische Stoffe einem Anmeldeverfahren. Derjenige, der einen Stoff mit mehr als 10 Kilogramm jährlich vermarkten will, muss ihn zuvor der zuständigen Behörde anmelden und ab 1 Jahrestonne einen Grunddatensatz übermitteln, der eine erste Beurteilung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren ermöglicht. Dabei geht es zunächst um die Ermittlung akuter Wirkungen, z. B. Giftigkeit für Mensch und Umwelt. Ab einer Vermarktungsmenge von mehr als 100 Tonnen sind Untersuchungen erforderlich, die auch eine Beurteilung von langfristig schädigenden Wirkungen wie krebserzeugend oder erbgutschädigend ermöglichen. Bei den über 100.000 Altstoffen mussten dagegen ab einer Vermarktungsmenge von 10 Tonnen nur die verfügbaren Daten vorgelegt werden, die in der Regel keine ausreichende Beurteilung der Stoffe erlauben. Nur für 140 Stoffe, die in Prioritätenlisten der EU aufgeführt sind, waren umfassende Datensätze vorzulegen, die bisher nur in 4 Fällen eine abschließende Bewertung ermöglicht haben. Kern des Kommissionsvorschlags ist die Einführung eines neuartigen Registrierungs-, Bewertungs- und Genehmigungsverfahrens für alle Chemikalien. Sie sollen bis spätestens 2018 einem einheitlichen zeit- und mengenmäßig abgestuften Verfahren unterworfen werden. Ausgangspunkt ist das bisherige Anmeldeverfahren für neue Stoffe. Jedoch soll die Registrierungspflicht erst ab 1 Tonne einsetzen, so dass von den 100.000 Altstoffen nur 30.000 erfasst werden. Prüfnachweise, die Tierversuche voraussetzen, sollen erst ab 10 Tonnen vorgelegt werden. Ab 100 Tonnen soll für alle Stoffe das bisher nur für neue Chemikalien geltende Bewertungsverfahren zur Beurteilung auch langfristiger Auswirkungen gelten. Das neue Verfahren erleichtert der Industrie die Entwicklung neuer Stoffe und überträgt ihr bis zu einer Menge von 100 Tonnen mehr Selbstverantwortung. Gleichzeitig wird es den Behörden ermöglicht, sich auf die für den Umwelt- und Verbraucherschutz relevanteren Großtonnagen ab 100 Tonnen zu konzentrieren. Ergibt sich bei der Bewertung eines Stoffes, dass er bestimmte besonders gefährliche Eigenschaften hat, muss nach einer jeweils festzulegenden Übergangszeit die weitere Verwendung genehmigt werden. Im Rahmen des neuartigen Genehmigungsverfahrens wird dann die Frage geprüft, ob die geplante Verwendung unter Berücksichtigung der vom Antragsteller vorgesehenen Schutzmaßnahmen und des Verwendungszwecks trotz der gefährlichen Stoffeigenschaft hinreichend sicher und akzeptabel ist. Dieses Verfahren soll für Stoffe gelten, die krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Wirkungen haben. Es wird auch für Stoffe erwogen, die in der Umwelt nur schwer abbaubar sind und sich in der Nahrungskette anreichern können. Zur Stärkung der Innovationskraft der chemischen Industrie werden den Unternehmen weitere Erleichterungen bei Forschung und Entwicklung eingeräumt. Dies gilt insbesondere für die Ausdehnung der bisherigen Ausnahme neuer Stoffe von der Anmeldepflicht, sie wird von einem Jahr auf drei Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit auf insgesamt fünf Jahre erstreckt. Das neue Bewertungsverfahren gilt gleichermaßen für EU-Produzenten als auch für Hersteller außerhalb der EU, die ihre Stoffe innerhalb der Europäischen Gemeinschaft vermarkten wollen. Mit dem Weißbuch der EU-Kommission wird sich anschließend auch der EU-Rat und das Europäische Parlament befassen. Siehe zu diesem Thema auch folgende News: "Streit um Chemikalien-Einschränkung" (12.02.2001) Datum: | 7. 2. 2001 | Quelle: | Bundesumweltministerium | Autor: | Wieland Welsch, Thomas Nowak |
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