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Raucher bekommen mehr als sie bezahlen

Die Teer- und Nikotinangaben auf den Zigarettenpäckchen stehen in keinem direkten Zusammenhang mit der tatsächlichen Schadstoffaufnahme. Egal wie "leicht" die Sorte ist - durch heftigeres Saugen wird die aufgenommene Nikotinmenge deutlich erhöht. 

Zu diesem Schluss kam eine Forschergruppe um Martin Jarvis am University College London bei einer Untersuchung, die 2031 Raucher umfasste. Analysiert wurde, wie viel die Raucher im Vergleich zu den standardisierten Industrie-Rauchautomaten aufnehmen.

Versuchsteilnehmer, die "extraleichte" Zigaretten rauchten - Nikotin je Zigarette laut Packung 0,14 mg - nahmen tatsächlich das achtfache auf! Bei höher "dosierten" Zigaretten fällt das Verhältnis glimpflicher aus; Zigaretten mit aufgedruckten 0,8 mg lieferten bei einigen Rauchern 1,3 mg, also das anderthalbfache.

Martin Jarvis stellt fest, dass "die Auszeichnung auf den Päckchen nicht nur falsch und irreführend ist, sondern eine regelrechte Gefahr; denn 'gesundheitsbewusste' Raucher steigen eher auf Leicht-Zigaretten um, als dass sie ganz aufhören". Das Institut möchte daher ein Verbot der Auszeichnungen erreichen.

Lynn Kozlowski, Direktor des "Biobehavioral Health"-Instituts der Penn State University den USA, stimmt zu: "Diese Studie zeigt eindeutig, dass der offizielle Nikotintest kein geeignetes Instrument ist, Raucher zu einem gesundheitsbewussten Verhalten zu führen." Sie fügt hinzu: "Diese Studie sollte umso ernster genommen werden, da sie mit kleineren Versuchen aus der Vergangenheit und sogar mit Untersuchungen der Zigaretten-Industrie korrespondiert."

Die Gruppe von Jarvis untersuchte, wie viel Coitinin – ein Hauptabbauprodukt von Nikotin – im Speichel der Raucher nachgewiesen werden konnte. Coitinin wird als gute Näherung für die tatsächliche Nikotinaufnahme angesehen. Die Forscher untersuchten auch, wie die Rauchmaschinen den Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt verschiedener Marken nachwiesen. 

"Leichtzigaretten haben belüftete Filter, die die Zigaretten-Luft weitgehend mit Frischluft vermischen – wenn sie auf einer Maschine geraucht werden. So wird die Schadstoffaufnahme reduziert. Doch Raucher, das haben wir nachgewiesen, rauchen anders als die Maschinen". 

"Raucher können die Nikotindosis (und damit die der anderen Schadstoffe) fast beliebig erhöhen, indem sie mehr rauchen, heftiger rauchen, oder die seitlichen Belüftungslöcher der Filter mit Fingern oder Lippen blockieren." Und, so fügt Jarvis hinzu: "Unsere Beobachtungen zeigen, dass die 'Nikotin-Kompensation' des Rauchenden zu mindestens 80 % funktioniert. Möglicherweise liegt sie bei 100 %."

Raucher können die Nikotindosis auf viele Arten steuern, pflichtet Gerhard Scherer vom Analytisch-Biologischen Forschungslabor in München bei. "Die Studie belegt dies eindrucksvoll". Sein Institut beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Rauchens und Passivrauchens.

Die erste Filterzigarette kam 1936 auf den Markt. Sie sollte "milden, sauberen Rauch" liefern, der "die Gesundheit schont". Zwischen 1942 und 1961 nahm der Anteil der Filterzigaretten zu und überholte schließlich die Filterlosen, hauptsächlich wegen der beruhigenden Werbeaussagen.

Nach einer Warnung der amerikanischen Ärzteschaft über die fatalen Folgen des Rauchens im Jahr 1964 versuchte die Industrie, den aufgenommenen  Nikotingehalt zu senken. Man experimentierte mit Filtern, Zigarettenform, Zusatzstoffen, Tabakmischungen und anderem mehr. Die Ergebnisse wurden stets mit Rauchmaschinen beurteilt. Die Relevanz dieser technisch produzierten Ergebnisse wurde aber schon seit langem angezweifelt.


 

 

Datum:6. 2. 2001
Quelle:Nature Magazine
Autor:übersetzt von Eckart Willer / enius

 




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