| | Hohe PCB-Werte in Nürnberger Schule lösen bayernweit verstärkte Suche nach dem Gebäudeschadstoff aus Stark erhöhte PCB-Werte im Blut von Schülern der Nürnberger Georg-Ledebour-Schule haben in der Öffentlichkeit Angst und Wut über den Umgang der Verantwortlichen mit der PCB-Problematik ausgelöst. Nachdem bereits im Juni 2000 eine erhöhte PCB-Belastung der Schule bekannt war, wurden erst ein Jahr später – im Mai und Juni 2001 – Kontrolluntersuchungen durchgeführt, um mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Schüler festzustellen. Die PCB-Blutwerte bei den Ledebour-Schülern sind sehr unterschiedlich. Zwei Drittel der Proben konnten als „normal“ eingestuft werden, d. h. die Nachweisgrenze von 0,1 Mikrogramm (=100 Nanogramm) PCB pro Liter Blut ist nicht erreicht. Bei einem Viertel der Kinder wurden niederchlorierte PCB nachgewiesen, die auf eine Vergiftung durch die Raumluft hindeuten. Etwa 10 Prozent haben im Blut erhöhte Werte an höherchlorierten PCB, die über die Nahrung – vor allem mit Fett von Fleisch und Fisch – aufgenommen werden. Die großen Unterschiede liegen auch daran, dass verschiedenste Faktoren die Ansammlung der PCB im Körper beeinflussen und die gemessene Konzentration sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut hat. Die PCB-Problematik ist indes nicht neu. In Nürnberg begannen Baustoff-Experten 1991 damit, städtische Gebäude auf PCB zu untersuchen. Während zunächst PCB-haltige Leuchtenkondensatoren entsorgt wurden, prüften die Fachleute auch bald Fugendichtungen in Kindergärten und Schulen. Zwei Kindereinrichtungen wurden wegen alarmierend hohen PCB-Raumluftkonzentrationen sofort saniert. 154 Einrichtungen erwiesen sich als unbelastet. Die Belastung der restlichen Gebäude war so gering, dass dem Hochbauamt eine längere Frist vertretbar erschien. Ob den Verantwortlichen der Stadt Nürnberg in Sachen Georg-Ledebour-Schule rechtlich etwas vorzuwerfen ist, prüft inzwischen die Staatsanwaltschaft Nürnberg. Sie hat ein Vorermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung eingeleitet. Das die vor allem aus Köln und jetzt Nürnberg bundesweit bekannt gewordenen Gebäude mit PCB-verseuchter Bausubstanz nur seltene Einzelfälle sind, nimmt keiner ernsthaft an. In Bayern beschleunigt der Nürnberger Vorfall jedenfalls die breite konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema. Die bayerische Staatsregierung will beispielsweise in der ersten Augustwoche einen Koordinierungsstab mit Vertretern mehrerer Ministerien einrichten, der nicht nur zur Lösung der aktuellen Krise beitragen soll, sondern auch alle bayerischen Schulen auf das brisante Thema aufmerksam machen will. Verantwortlich für Unterrichtsgebäude sind letztendlich jedoch die Kommunen. Hintergrund PCB werden durch Einatmen, Hautkontakt und Verschlucken in den Körper aufgenommen. Sie können Schäden der Haut (Chlorakne), der Leber und Nieren, des Zentralnervensystem und Verdauungsapparates hervorrufen. Eine krebserregende Wirkung beim Menschen ist wahrscheinlich – in Tierversuchen ist sie nachgewiesen. Für die Raumluft gibt es zwei PCB-Grenzwerte: mehr als 300 Nanogramm pro Kubikmeter gelten als erhöhte Konzentration, die auf Dauer Gesundheitsschäden auslösen kann; bei mehr als 3000 Nanogramm sind Sofortmaßnahmen notwendig. Die Spitzenwerte in der Georg-Ledebour-Schule lagen bei rund 20 000 Nanogramm. Das konkrete Gesundheitsrisiko durch PCB-Luftkonzentrationen in diesen Größenordnungen lässt sich jedoch kaum angeben. Während ein kurzzeitiges Ausgesetztsein keine Wirkungen hätte, steigt das Langzeitrisiko bei dauerhafter Belastung kontinuierlich an. Das liegt daran, dass polychlorierte Biphenyle – abgekürzt PCB – biologisch kaum abbaubar sind und sich im Fettgewebe anreichern. Langfristig kann deshalb schon die sehr geringe Menge von wenigen hundert Nanogramm PCB – 300 Nanogramm entspricht 0,0000003 Gramm – in einem Kubikmeter Raumluft gesundheitsschädliche PCB-Konzentrationen im Blut bewirken. Während Behörden schon seit vielen Jahren mit der Prüfung öffentlicher Gebäude auf gesundheitsschädliche Baustoffe beschäftigt sind, denken viele private Hausbesitzer nicht daran, das dieses Problem auch sie betreffen könnte. Ob PCB, Formaldehyd, Asbest oder die Holzschutzmittel PCP und Lindan – schadstoffhaltige Materialien wurden vor allem in den 60er und 70er Jahren genauso im Privatbereich verbaut. Hier liegt die Verantwortung für die Erkennung möglicher Gesundheitsgefahren und gegebenenfalls deren Beseitigung alleine bei den Besitzern und Bewohnern. Eine Prüfung der Raumluft oder bestimmter Materialien, wie z. B. Hausstaub oder Fugendichtmassen, auf ihren PCB-Gehalt bieten verschiedene Labors und Institutionen an. Um einen Verdacht zu entkräften oder zu erhärten bieten sich preisgünstige Tests an, bei denen zum Teil der Auftraggeber die Probe selbst nimmt und anschließend an das Labor zur Auswertung schickt. Die enius bietet solche Tests ab ca. 100 €uro an. Sollte sich ein Verdacht auf bedenkliche Schadstoffkonzentrationen im Hausstaub, der Raumluft oder bestimmten Materialien bestätigen, sind die genauen Ursachen festzustellen und darauf aufbauend ein Sanierungsplan zu erstellen und umzusetzen. Für diese Arbeiten, die unbedingt von Fachkräften auszuführen sind, müssen deutlich höhere Kosten als für einen Schadstoff-Check veranschlagt werden. Sie sind von den jeweiligen Gegebenheiten abhängig.
Datum: | 1. 8. 2001 | Autor: | Wieland Welsch, Thomas Nowak |
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